Am 17. September eröffnet das /slash im Gartenbaukino mit Karyn Kusamas mysteriösem Horror-Thriller The Invitation. Und das rockt, denn immer noch ist die Auffassung viel zu verbreitet, Frauen auf dem Regiestuhl brächten höchstens romantische Komödien oder Dokus zustande und hätten kein Interesse am Genrefilm.
So trifft man im Netz auf der Suche nach den wichtigsten Frauen in der Geschichte des Horrors zwar auf die „Greatest Scream Queens“, die „Top 10 Most Evil Women“ und natürlich die „Top 10 creepiest little girls“. Verweise auf die großen Regisseurinnen des Genre- und speziell Horrorkinos sind dagegen klar unterrepräsentiert. Dabei ist die Annahme, dass filmschaffende Frauen keine Lust verspüren auf blutige Sauereien, Monster oder originelle Foltermethoden in ihren Filmen natürlich vollkommener Quatsch. Nur haben sie es vor allem im Genre-Sektor alles andere als leicht. Und viel seltener als ihre männlichen Kollegen erhalten sie große Chancen, sich zu beweisen. „On a low-budget indie level, the ratio of male to female horror directors is about 50/50. As you move up on the budget level, the numbers drop dramatically,“[1] weiß die Genrefilm-Expertin Heidi Honeycutt, die in L.A. die Etheria Film Night programmiert, in der weibliche Regietalente an die Produzenten gebracht werden sollen. Karyn Kusama ist nur eine von vielen unverwüstlichen Frauen, die sich im Horrorgenre dennoch behaupten und deren Namen man sich merken darf.
Nach ihrem Regiedebüt Girlfight, einem Drama über eine junge Boxerin, mit dem sie sämtliche Preise abräumte, kämpfte Karyn drei Jahre lang, um die Finanzierung für ein Sci-Fi-Projekt aufzustellen – ohne Erfolg. Sie übernahm zwar daraufhin die Regie für Paramounts Aeon Flux, doch der große Schritt bescherte ihr vor allem abschreckende Erkenntnisse über die Arbeit für die großen Studios. Mit Jennifer’s Body entdeckte sie schließlich den Horror für sich und drehte eine schwarze Komödie über eine vom Dämon besessene Cheerleaderin, die ihre männlichen Schulkameraden vernascht – im wahrsten Sinn des Wortes. Der Horror stand Karyn ziemlich gut und so machte sie mit The Invitation einen beherzten Schritt zurück zu ihren Independent-Wurzeln und in die volle künstlerische Freiheit. Im Film inszeniert sie eine Dinnerparty unter Freunden, die angesichts einer vielleicht wahnsinnigen Gastgeberin extrem ungemütlich werden dürfte. Denn bald wissen hier weder der Protagonist Will noch die Zuschauer mehr, wo die Grenzen zwischen Paranoia und realer Bedrohung liegen. Und das verspricht Hochspannung pur. Um keine Überraschungen vorweg zu nehmen – und die sind in The Invitation garantiert – gibt es auch keinen Trailer zu sehen.
Und das Blatt könnte sich für die Horrorfilmemacherinnen vielleicht allmählich wenden. Im kommenden Jahr plant Magnet Releasing (V/H/S, The ABCs of Death) mit XX die Veröffentlichung einer rein weiblichen Horrorfilm-Anthologie, an der neben Karyn Kusama drei weitere begnadete Damen des Horrors arbeiten: Mary Harron, die den als unverfilmbar gegoltenen kontroversen Roman American Psycho verfilmt hat; Jennifer Lynch, die Brut des ungeschlagenen Alptraumkino-Meisters, die mit Filmen wie Boxing Helena und Chained ihr Gespür für unbequem eigenwillige Horrorgeschichten bewiesen hat; und Jovanka Vuckovic, deren preisgekrönter und von Guillermo del Toro produzierter Kurzfilm The Captured Bird weiter unten auf euch wartet.
Nicht zuletzt haben auch Jennifer Kent mit The Babadook oder die Giallo-Enthusiastin Hélène Cattet mit Amer außergewöhnliche neue Beiträge zum Genre geliefert. Um einiges härter treiben es die bereits zum Kultphänomen avancierten Soska Sisters (u.a. American Mary, See No Evil 2), auch bekannt als Twisted Twins. Verdorben und verdreht sind diese kanadischen eineiigen Zwillinge wohl schon seit der frühen Kindheit, in der sie Poltergeist sahen und erkannten, dass es tatsächlich einen Job gibt, in dem man für Geld Leute erschrecken darf. Seither drehen sie unartigste Filme über starke Frauen, kunstvoll bestialische Körpermodifikationen und Gewaltexzesse, so etwa die ABCs of Death 2 Episode „T is for Torture Porn“. Auch bei der „female superhero“ Comic-Verfilmung Painkiller Jane teilen sich die Soskas gerade den Regiestuhl. Und angesichts der Tatsache, dass Janes Superkräfte sie im Comic zwar unzerstörbar, aber keineswegs schmerzfrei machen, darf man mutmaßen, dass die Twisted Twins mit dem Projekt einen Heidenspaß haben.
Die Liste ist hier natürlich noch lange nicht beendet. So sei allen, die Blut geleckt haben am weiblichen Horrorkino, dieser Link zu den 50-must-see-horror-films-directed-by-women empfohlen. Enthalten sind darin auch nicht zu vergessende „Klassiker“ wie Kathryn Bigelows Near Dark, Claire Denis’ Trouble Every Day, Amy H. Jones’ Slumber Party Massacre, Mary Lamberts Pet Sematary, Barbara Peters’ Humanoids from the Deep, Antonia Birds Ravenous und Marina de Vans In My Skin.
Vielleicht wird sich das /slash Filmfestival schon nächstes Jahr ganz ausgiebig den Masterinnen des Horrors widmen. Als kleinen Appetitanreger darauf und auch auf Karyn Kusamas fulminanten Eröffnungsfilm habe ich drei female made Kurzfilme für euch aus dem Internet gekramt, die es gewaltig in sich haben. Viel Spaß!
Jovanka Vuckovic The Captured Bird 2012
Women in Horror Month: Massive Blood Drive Anthologie 2015; Regisseurinnen: Soska Sisters, Gigi Saul Guerrero, Hannah Neurotica, Maude Michaud, Tamae Garateguy & Jimena Monetoliva, Jessica Cameron, Patricia Chica, Jill Sixx, Chelsey Burdon
Jennifer Kent, Monster 2015
[1] http://www.laweekly.com/arts/etheria-film-night-screens-horror-and-sci-fi-movies-made-by-women-4855724